4000 Deutsche Verben Ihre Formen Und Ihr Gebrauch.zip
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Zu Klärung dieser Fragen wurden unter Zugrundelegung eines räumlich und zeitlich (1500-1770) gegliederten Korpus von 157 Textausschnitten von 4000 Wörtern [1] drei Fälle, die in der Orthographie der deutschen Gegenwartssprache als morphemidentifizierende Schreibungen aufgefasst werden können (graphischer Ausgleich von Plosivalternanzen, Graphie der Umlaute von /a/ und /aɔ̯/, Doppelkonsonantengraphie für die Silbenendrandpositionen einsilbiger Formen von sollen, wollen, können), auf ihre Entwicklung im Usus und ihre Behandlung in der zeitgenössischen grammatikographischen Norm hin untersucht.
Die Lehr- und Handbuchmeinung, der zufolge die althochdeutschen stimmlosen Lenisplosive im Mittelhochdeutschen in Finalposition und vor stimmlosen Konsonanten zu stimmlosen Fortes 'verhärtet' wurden, um zum Neuhochdeutschen hin bei der graphischen Umsetzung der Inlautschreibung angepasst zu werden, hat sich schon seit längerem aus vielerlei Gründen als unhaltbar erwiesen. Ohne die Diskussion in ihrer Breite auch nur ansatzweise nachzeichnen zu können (dazu umfassend A. Mihm 2004), seien zwei wesentliche Punkte herausgehoben:
b) Die mittelhochdeutsche Periode ist demgegenüber durch zwei Lenisierungswellen charakterisiert, zum einen die binnendeutsche Konsonantenschwächung, zum anderen die mittelbairische Konsonantenschwächung, die ihrerseits möglicherweise in einer Reziprokrelation zur mittelhochdeutsch-frühneuhochdeutschen Apokopierung steht (cf. E. Kranzmayer 1956, F. Simmler 1983, P. Wiesinger 1996). Beide Entwicklungen produzieren Lenisbuchstaben in den Finalpositionen des graphischen Worts, die als Reflex dialektaler Lautungen zu betrachten sind. Der Anteil solcher oberflächlich mit den morphemidentifizierenden Schreibungen der Gegenwartssprache deckungsgleichen Graphien ist zu Beginn der neuhochdeutschen Periode schon erheblich. In der im 3. Viertel des 15. Jahrhunderts in Franken oder Hessen, also in jedem Fall in einem Lenisierungsgebiet aufgezeichneten Parzival-Handschrift Karlsruhe, Badische LB Cod. Donaueschingen 70 ist die Lenisbuchstabenschreibung für Dental zu 17,5%, für Labial zu 40% und für Velar zu 69,5% durchgesetzt.
Solche nicht zufällig durchweg oberdeutschen Druckorten entstammende Schreibungen bilden den späten Reflex des Umstandes, dass die Graphie fürKurzvokal zum Zeitpunkt ihres Auftretens im 12. Jahrhundert (cf. H. Paul 241998: § 63) als Bezeichnung des durch Sekundärumlaut entstandenen e-Kurzvokals mit dem jeweils größten Öffnungsgrad im Bairischen, Schwäbischen und Hochalemannischen phonetisch motiviert ist (cf. V. Moser (1929: § 17)[4]. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts ändert sich die Situation zunächst bezüglich der räumlichen Ausdehnung, als das Zeichen in nichtoberdeutschen Sprachlandschaften auftritt. Für die Erklärung der genauen Umstände konkurrieren zwei Sichtweisen. Während R. Hotzenköcherle (1962: 322) funktional argumentiert und keine phonetische Motivation für md. in Betracht zieht, betont V. Moser (1929: §70,1) eher den graduellen Charakter des Eindringens von ins Mitteldeutsche und setzt zumindest für das Rheinfränkische in Einzelfällen noch phonisch induzierte an, als deren Ursache beispielsweise Schreibaussprachen anzusetzen wären. Grundsätzlich aber bleibt festzuhalten:
Vor 1620 sind für den Verlauf der Durchsetzung bei den oberdeutschen Korpustexten Diskontinuitäten prägend: Dies gilt für das Ostoberdeutsche grundsätzlich bis 1590, für das Westoberdeutsche für das Intervall 1560 bis 1590. Danach gewinnt die Durchsetzung, zunehmend lautungsunabhängig, an Kontinuität und wird in ihrer Tendenz unumkehrbar. Eine Vorreiterrolle nehmen hier die westmitteldeutschen Drucke ein, wo der Anteil an /-Schreibungen von 14,04% (1530) über 34,07% (1560), 44,48% (1590) auf 82,61% (1620) steigt. 1650 ist gleichwohl ein letzter, regional begründeter Rückgang auf 71,90% zu verzeichnen[7], bis die /-Schreibungen 1680 (95,87%) und 1710 (98,01%) das Niveau der gegenwärtigen orthographischen Norm erreichen.
Die ein Jahr später vom Ostmitteldeutschen F. Frangk formulierte, oberflächlich betrachtet mit Kolross' Vorschrift äquivalente Schreibregel ist hingegen, berücksichtigt man die Herkunft ihres Urhebers, als rein morphembezogen aufzufassen, wenn auch eine Kenntnis der Herkunft des Zeichens als Reflex oberdeutscher Aussprache und damit die Diagnose Reinterpretation nicht kategorisch auszuschließen ist. Im Unterschied zur Situation bei Kolross ist aber festzustellen, dass die frangksche Regel keinen unmittelbaren Einfluss auf den regionalen Graphieusus zeitigt. Die ersten ostmitteldeutschen -Graphien erscheinen, wie oben herausgearbeitet wurde, erst mehr als ein halbes Jahrhundert nach der Formulierung der explizit morphematischen Schreibregel. 2b1af7f3a8